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Erstaunlich, wenn das Leben mich immer wieder ganz auf mich selbst zurückwarf.
Wie es das tat?
Indem es mir Dinge oder Menschen nahm, an denen sich das kleine Ich verzweifelt festzuhalten suchte.
Und was blieb? Nichts als Das, was gerade ist, genauso wie Es sich mir gerade zeigte.
Ist das ein Problem?
Nein, natürlich nicht. In gewisser Weise war es sogar sehr befreiend.
Aber Das, was das Köpfchen dann tat: Es versuchte dem scheinbaren Kontrollverlust ausweichen, in dem es auf das ungeheure Nichts, das sich durch den Verlust auszubreiten schien, seine alten Themen projizierte: Die existentielle Angst vor dem Alleinsein, vor dem Nichts: eine Hölle der Vereinsamung, Verzweiflung, der Hilf- und Machtlosigkeit, des Ausgeliefert- und Ungeliebt seins.
Und da ihn die Konfrontation mit all diesen Gefühlen zutiefst erschreckend erschien, holte es natürlich die Überlebensmechanismen hervor, die damals geholfen haben, um den unerträglichen Schmerzen zu entkommen: So tun, als ob das alles kein Problem sei, cool, besonders spirituell, großzügig oder hilfreich spielen, sich mit Essen oder Beschäftigung betäuben, die aktuelle Situation vorsorglich in die Zukunft projizieren nach dem Motto:
"Das wird immer so sein" und damit die Ängste bis zur Panik steigern, wütend werden, um sich nicht hilf-, wertlos oder schwach zu fühlen - auf der einen Seite, Sich-Verurteilen und wie ein kopfloses Huhn irgendetwas machen, egal was - auf der anderen Seite.
Rastlosigkeit, Getrieben sein, Stress, Druck, Angst, Beziehungs- und viele anderen Probleme waren die Folgen, auf die dann der Körper mit Verspannungen, Magen-und-Darmbeschwerden, Kopfschmerzen, Tinnitus und ersten Überlastungssymptomen des Nervensystems reagierte.
Kurz: Eine sehr gekonnte Reinszenierung alter Qualen. Und eine Einladung, nicht wieder auszuweichen respektive Verantwortung zu übernehmen.
So sah ich mir das alles genau an, ging damit stundenlang spazieren, fühlte dabei, was zu fühlen war, nahm die Gedanken war, die dabei hochkamen, überprüfte sie auf ihren Wirklichkeitsgehalt, entlud die emotionalen und körperlichen Spannungen, war zugleich ganz still mit allem, was erschien und hörte dem verzweifelten, inneren Kind ebenso aufmerksam und einfühlsam zu wie dem inneren Kritiker und Antreiber.
Was für eine Offenbarung!
Ich begriff, wie schrecklich das für das innere Kind damals war und in welch tiefer Not und Verwirrung es sich befunden hatte. Tiefes Mitgefühl und große Zärtlichkeit erfüllten mich - immer wieder.
Dieses Mitgefühl allein war schon ungemein heilsam. Ruhe kehrte, zumindest kurzfristig ein.
Zugleich wurde mir irgendwann auch schlagartig klar, dass das alles alte Mangelgefühle und Ängste sind und dass ich nicht (mehr) dieses verzweifelte, zutiefst verletzte kleine Ich noch die damit verbundenen Gefühle bin. Aber nicht nur als Gedanke oder Konzept, sondern wirklich: Ich bin NICHT diese alte Angst. Ich bin NICHT die alten Mangelgefühle noch der Druck, der entsteht, wenn das verzweifelte kleine Ich versucht, Probleme so schnell wie möglich zu lösen, die es gar nicht mehr gibt.
Es wurde zunehmend sichtbarer, dass all das, was da so real erschien auf ein Kindheitstrauma zurückgeht und nur insofern aktuell war, dass es jetzt wieder erschien - als eine Erinnerung und als verzweifelte Bitte darum, - aus der Stille - ganz und gar wahrgenommen, geliebt und als Das durchschaut zu werden, was es in Wirklichkeit ist: Ein Traum(a), alte (Körper-)Gefühle und Gedanken, die zwar jetzt erscheinen, aber mit der aktuellen Situation nichts zu tun haben bzw. sie extrem verunklären.
Denn das Einzige, was real ist - jetzt - ist Das, was ich wirklich bin und das, was darin gerade erscheint.
Deshalb: Ich bin NICHT diese alte Geschichte, auch wenn es gut ist, sie zu kennen. Ich bin NICHT mehr dieses kleine verängstigte und hilflose Kind, auch wenn seine Erinnerungen, Gefühle und die damit einhergehenden Körperempfindungen herzlich willkommen sind.
Ich bin unendlich weiter Raum, bedingungslose Liebe, tiefe Stille, in dem all das erscheint und die zudem inzwischen eine/n ausgewachsene(n) Erwachsene(n) spielt.
Und dieser Erwachsene kann inzwischen selbst für sich sorgen, hat Ressourcen, die ihm als Kind nicht zur Verfügung standen. Er kann Gefühle halten, fühlen und entladen und zutiefst still sein mit allem, ja, dieser Erwachsene IST die Stille, ist dem inneren Kind das liebevolle, wahrhaftige Gegenüber, die Mutter, der Vater, die Familie, die es in der Vergangenheit nie hatte.
DAS alles wirklich klar zu sehen, voll und ganz dazu zu stehen und die volle Verantwortung für das, was erscheint, zu übernehmen, anstatt sie Gott, dem Leben, Partner, den eigenen Kindern, dem Chef oder wem auch immer in die Schuhe zu schieben, ist - so sehe ich es - die einzig wirkliche Heilung. Es ist das Sehen, dass es nie Trennung gab, ja, dass Das, was ich bin, immer schon heil war und ist und dass alles, was du suchst, bereits ist - jetzt, während du diese Zeilen hier liest.
Und dass du kein hilfloses, ausgeliefertes, verlassenes Opfer, sondern erwachsen und fähig bist, angemessen und kompetent zu antworten - insofern du bereits weißt, wie - respektive dir dabei Hilfe zu holen - sei es in Form eines Freundes, einer kompetenten Begleitung oder indem du dir zugestehst, dass du es gerade nicht alleine kannst und die Angelegenheit an eine Höhere Macht, das Leben, einen gütigen Gottvater oder Jesus abgibst - was immer für dich stimmig ist.
Ich begriff, wie schrecklich das für das innere Kind damals war und in welch tiefer Not und Verwirrung es sich befunden hatte. Tiefes Mitgefühl und große Zärtlichkeit erfüllten mich - immer wieder.
Dieses Mitgefühl allein war schon ungemein heilsam. Ruhe kehrte, zumindest kurzfristig ein.
(Quelle: Gabriele Rudolph, Das innere Kind und die Stille, Ottersberg 2022, Foto von Sergej Siegle)